Textverständnis fördern – so kann man Kinder unterstützen
Wenn Kinder den Schritt zum mühelosen Lesen geschafft haben, steht ihnen plötzlich ein Universum offen: ein Universum an Ideen, Wissen, Geschichten, Helden, Fragen. Sie können vom Sofa aus große Schritte in die Welt unternehmen. Sie können Ihre Urteilsvermögen schulen, neue Fragen aufwerfen, Werte anderer in Frage stellen und eigene Werte entwickeln. Ihr Sprachvermögen wird geschärft und ihre Ausdrucksfähigkeit. Sie lernen ihren Platz in der Welt zu finden und sie können sich empathisch in die Gefühle ihrer Helden einfühlen. Ab jetzt geht es darum, das Gelesene zu verinnerlichen, zu interpretieren und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen; Textverständnis fördern.
Bücherwürmer bremsen – geben Sie Raum fürs Nachschwingen
Ja tatsächlich, manchmal ist es sinnvoll, Bücherwürmer auch zu bremsen. Natürlich ist es toll zu sehen, wie Ihr Kind nahtlos von einem Buch ins nächste gleitet. Offenbar liebt es das Lesen und das wünschen wir unseren Kindern ja: dass Bücher ganz natürlich zum Leben gehören. Aber manche Bücher sind es wert, dass man ihnen noch Zeit zum Nacharbeiten lässt. Bleiben Sie auf dem Laufenden und fragen Sie Ihr Kind, wie es gerade im aktuellen Buch weitergeht. So können sich Fragen entwickeln, die beim Lesen vielleicht noch gar nicht aufgetaucht sind. Achten Sie allerdings darauf, ob Ihr Kind auch wirklich darüber reden mag. Manche Bücher wollen sie vielleicht als ihre ganz eigene Welt bewahren, in die niemand Zutritt haben soll. Respektieren Sie das und starten Sie beim nächsten Buch einfach einen neuen Versuch.
Verbindung zur eigenen Lebenswelt
Halten Sie bereits gelesene Bücher in Erinnerung. Sie können auch nach Wochen und Monaten noch Verbindungen zu der Lebenswelt in Ihrer Familie und den Themen bereits gelesene Bücher schaffen. Gibt es Ärger mit dem besten Freund? Beziehen Sie sich auf ein Buch, in dem es auch genau darum ging. Schauen Sie in dem Buch nach, wie es in der Geschichte weiterging. Welche Lösungen haben die Protagonisten gefunden, wie haben sie sich gefühlt. In solchen Situationen können Bücher auch Halt geben. Die Kinder merken, dass sie mit ihren Gefühlen nicht allein sind und welche Möglichkeiten es gibt, schwierige Situationen zu lösen.
Auch für Eltern können sie eine gute Möglichkeit sein, sich verständlich zu machen. Wie wir alle, verstehen auch Kinder besser, wenn sie nicht selbst involviert sind. Ein Beispiel: Ihr Kind liest „Anton hat Zeit, aber keine Ahnung warum“. Der 6-jährige Anton hat morgens immer viel zu tun. Leider aber immer Dinge, die die Mutter in Zeitnot bringen. Vielleicht kennen Sie das ganz genau, weil Ihre Morgen auch immer ziemlich unter Druck ablaufen. Mithilfe von Anton und seiner Mutter, können Kinder auch die Sicht der Eltern verstehen und schütteln über den kleinen Anton und seine morgendlichen Ideen den Kopf. Jetzt können Sie den Vergleich zu Ihrer eigenen Situation ziehen und gemeinsam versuchen, eine Lösung zu finden, damit Ihre Tage leichter beginnen.
So oder so? So und so!
Sie brauchen nicht viel, um mit Ihren Kindern ein wunderbar tiefes und verbindendes Gespräch über ein Buch zu führen. Aber das, was Sie brauchen ist nicht immer leicht aufzubringen: echtes Interesse. Wenn Sie gemeinsam ein Buch besprechen, dann möchte Ihr Kind eines ganz sicher nicht: Belehrungen. Schließlich hat es das Buch selbst gelesen (oder gut zugehört) und ist genauso Experte für die Geschichte. Es hat eine eigene Meinung entwickelt und eigene Kopfbilder kreiert. Wenn es z.B. die Idee des kleinen Anton schlüssig findet, sich einen Fuß blau anzumalen, weil er partout nur eine blaue Socke finden kann, ist Besserwisserei der schnellste Weg, dass Gespräch zu ersticken. Wir Erwachsenen bringen uns damit um eine großartige Möglichkeit, mit unseren Kindern in Verbindung zu treten. Viel lustiger ist es, gemeinsam ein bißchen herumzuspinnen, wie Anton vielleicht mit einer Ringelsocke verfahren würde. Sie finden das widerspricht dem, was ich oben über das Verständnis für Antons Mutter geschrieben habe? Auf den ersten Blick schon. Aber geben Sie Ihrem Kind einfach die Chance, die Situation der Mutter zu verstehen (also selbst in die Rolle der Mutter zu schlüpfen) und bleiben Sie neugierig auf das Ergebnis. Es kann schon sein, dass es aus unserer Erwachsenensicht unpraktikabel ist. Trotzdem: lassen Sie es einfach so stehen.
Üben? Ja, aber….
Es gibt viele Übungen, mit denen Sie feststellen können, ob Ihr Kind das Gelesene verstanden hat. Viele sind aber nur darauf abgestellt, Fakten abzufragen. (Was hat Anton zum Frühstück gegessen? Um wieviel Uhr müssen er und Mama aus dem Haus gehen?). Damit kann man natürlich überprüfen, an welchen Stellen aufmerksam gelesen wurde. Aber ob sich damit echtes Textverständnis messen lässt, halte ich für fraglich. Für Leseanfänger mag diese Art der Überprüfung zusätzlich Sinn machen. Aber genau das finde ich problematisch: es geht hierbei um eine reine Prüfung – also eine Bewertung in „richtig“ und „falsch“. Was ist damit gewonnen, wenn Ihr Kind sich brav gemerkt hat, dass Anton Cornflakes gegessen hat? Und welche Wirkung hat es, wenn es hören muss: FALSCH, er hat kein Marmeladebrot gegessen. Ich würde davon Abstand nehmen. Auf jeden Falls würde ich die Antwort nicht korrigieren, sondern es auffordern, nach der richtigen Antwort selbst im Text zu suchen.
Textverständnis fördern
Wenn Sie merken, dass Ihr Kind nachhaltig Schwierigkeiten hat, sich den Inhalt eines Textes, eines Kapitels oder Buches zu erarbeiten, können Lesestrategien hilfreich sein. So kann Ihr Kind lernen, wie es einen Text handhabt und wie es sich dem Inhalt Schritt für Schritt nähern kann. Eine andere Überschrift finden ist z.B. eine ganz einfache Möglichkeit zu sehen, welche Kernaussage Ihr Kind aus der Geschichte mitgenommen hat (und nicht ob es die Kernaussage richtig verstanden hat – der Unterschied ist gravierend).
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