Lesen wie Nummer 5 – Schnell-Lesen für Kinder

Wenn Kinder beginnen leise zu lesen, gilt der Prozess des Lesenlernens gemeinhin als abgeschlossen. Alle Phasen sind durchlaufen und nun geht es vor allem darum, das Textverständnis zu fördern. Schade eigentlich, dass wir uns damit begnügen. Denn eigentlich könnten wir es den Kindern mit dem Textverständnis viel leichter machen, wenn wir sie schon in frühem Alter an das Schnell-Lesen für Kinder heranführen.

Von Hänschen und Hans

Was wir als Erwachsene mit viel Training üben, könnten Kinder bereits ab einem Alter von acht Jahren mühelos lernen. Denn in Jahrenn und Jahrzehnten haben wir uns eine hindernde Gewohnheit angewohnt: das Subvokalisieren. Und genau diese Gewohnheit abzulegen, macht es uns so schwer schnell zu lesen und die entsprechenden Techniken anzuwenden. Dieses innere Mitsprechen ist verantwortlich dafür, dass wir unser Langzeitgedächtnis nicht so füttern, wie es eigentlich möglich wäre. Das wiederum führt dazu, dass wir im Text öfter zurückspringen müssen (Regression), um das Gelesene wirklich zu verstehen.

Bei Kindern hat sich diese Gewohnheit noch nicht verfestigt – der beste Zeitpunkt also, den letzten Schritt auch noch zu gehen und das Lesen ohne innere Stimme zu üben. Es ist eigentlich nicht zu verstehen, warum man so kurz vor dem Ziel aufhört. Denn zutrauen kann man es ihnen ganz bestimmt. Schließlich haben sie ja schon beim Lesen lernen bewiesen, dass sie zu unglaublich komplexen Leistungen fähig sind.

Nicht schon wieder die Schweden

Der einfachste Beweis, dass Kinder es schaffen, sich von der inneren Stimme zu befreien, sind die skandinavischen Kinder. In Schweden z.B. werden Filme nicht synchronisiert. Die Kinder sind es gewohnt, alle ausländischen Filme und Serien mit Untertiteln versehen, anzuschauen. Dadurch üben sie, mehrere Wörter mit einem Blick zu erfassen und zu verarbeiten. Klar, dass sie dabei innerlich nicht mitsprechen können. Dazu fehlt schlicht die Zeit.

Ja, ja ich weiß. Die Skandinavier müssen mal wieder als Vorbild herhalten. Aber was soll man machen, wenn viele Dinge dort besser gelingen? Ach ja, man könnte sich zur Abwechslung mal was abschauen.

Und hier?

Viel Fernsehen? Nein, das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Zumal es schwierig werden dürfte, genug unsynchronisiertes Material zu finden. Außerdem ist es fraglich, ob die Fähigkeit die beim Fernsehen genutzt wird, automatisch auch beim Lesen von Texten verwendet wird. Es gibt aber Möglichkeiten und Programme, mit denen Kinder das Schnell-Lesen üben können. Und vielleicht erleben wir es eines Tages, dass es an den Schule zum ganz normalen Lernprozess gehört.

Tipps für zuhause

Solange es im Lehrplan noch nicht vorgesehen ist, kann man interessierte und motivierte Kinder mit ein paar Techniken zu Hause an das Schnell-Lesen heranführen. Das Lesen in Chunks kann Abwechslung bringen und die schnellen Erfolge beflügeln.

Ich habe ein paar Übungen zusammengesucht, die Sie mir Ihren Kindern zu Hause machen können. Und sollten Sie ein Lehrer oder eine Lehrerin sein, haben Sie vielleicht Lust, sie auch in der Klasse auszuprobieren.

  1. Sehfeld erweitern
    Fordern Sie Ihr Kind auf, 10 Sekunden lang 5 Seiten anzusehen. Ihr Kind soll keine Wörter entziffern, sondern nur den Blick auf die Seiten richten. Damit trainiert es, das natürliche Sehfeld zu nutzen, anstatt den Tunnelblick, den es üblicherweise beim Lesen verwendet.
  2. Sehfeld nutzen
    Als nächstes gilt 30 Sekunden den Blick über soviele Seiten wie möglich gleiten zu lassen. Danach wird aufgeschrieben, an welche Wörter Ihr Kind sich erinnert.
  3. Scannen
    Bei dieser Übung gleitet der Blick so schnell wie möglich über jede einzelne Zeile. Nach 30 Sekunden wird wieder notiert, welche Wörter das Kind erinnert.
  4. Rhythmus
    Diese Übung ist im Grunde nur eine Erweiterung der Scan-Übung: Während Ihr Kind liest, klopfen Sie in regelmäßigen, kurzen Abständen (ungefähr alle 3 Sekunden) mit einem Stift auf den Tisch. Zum Abschluss wird das Erinnerte wieder notiert.

Mit diesen vier Übungen können Sie Ihr Kind ziemlich unkompliziert an das Schnell-Lesen heranführen. Wenn Sie Möglichkeit haben, mit mehreren Kindern zu üben – z.B. mit Geschwistern oder Freunden – werden die Kinder sich an mehr Wörter erinnern: weil der eigenen Erinnerung durch die Erinnerung der anderen oft auf die Sprünge geholfen wird.

Und wo bleibt Nummer 5?

Was das alles mit Nummer 5 zu tun hat? Als ich für diesen Artikel recherchiert habe, bin ich auf die Aufnahme einer Johnny Carson-Show gestoßen, in der eine 13-jährige demonstriert, was sie unter Schnell-Lesen versteht. Ich weiß nicht, ob das eine inszenierte Geschichte war, aber ich habe mich beim Ansehen sehr amüsiert. 13.000 Wörter pro Minute liest und versteht sie. Das Mädchen hat mich an eine Szene aus dem Film „Nummer 5 lebt“ erinnert. Nummer 5 ist ein Roboter. Mit ganz menschlichen Gefühlen, gepaart mit den fast grenzenlosen Fähigkeiten einer Maschine. In besagter Szene durchpflügt er nahezu ein Buch, um anschließend genussvoll nach „noch mehr“ zu verlangen.

 

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Prof. (a.o.) Göran Askeljung ist Autor und Inhaber von BrainRead, Geschäftsführer und Senior Trainer bei Askeljung.com und immediate effects, Certified Facilitator und Partner von Consensus in NY, und Leitet Consensus Österreich und Deutschland. Er ist Professor am Institut für Sales & Negotiation am Georgian School of Management, Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von WdF. Er war früher u.a. als Managing Director von Microsoft MSN in Österreich und Geschäftsbereichsleiter von Ericsson Data CEE in Wien tätig. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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