Interview mit Göran Askeljung, Autor von BrainRead, in der ZD-Info Mitarbeiterzeitung des Max-Planck-Gesellschaft, Okt. 2016, über wissenschaftliche Texte schnell-lesen.
Wer sich für das neue Inhouse Seminar „BrainRead – Effizient lesen und mehr verstehen von wissenschaftliche Texte“ anmeldet, ist in guter Gesellschaft. Von Woody Allen gibt es die schöne Anekdote, dass er ebenfalls einmal an einem Kurs im Schnelllesen teilgenommen habe und daraufhin in der Lage war, Tolstois „Krieg und Frieden“ in nur 20 Minuten durchzulesen. Es handele von Russland…
Herr Askeljung, Sie bieten die Fortbildung im Dezember als Trainer an. Wir sind skeptisch: Kann es wirklich gelingen, schneller (wissenschaftliche Texte) zu lesen und trotzdem die Inhalte nicht nur oberflächlich aufzunehmen?
Göran Askeljung: Woody Allen macht tiefsinnige Filme, aber von effizientem Lesen hat er offenbar keine Ahnung. Für „Krieg und Frieden“ brauchen Sie mit normaler Lesegeschwindigkeit knapp 30 Stunden. Mit der „BrainRead“-Methode, die wir in dem Seminar vermitteln, schaffen Sie es vielleicht in 10 Stunden. Aber Sie werden dabei mehr vom Inhalt behalten als Woody Allen.
Es ist nämlich tatsächlich so, dass unser Gehirn ein viel höheres Fassungsvermögen hat als wir es beim herkömmlichen Lesen zulassen. Denken Sie an Filme mit Untertiteln: Da verarbeitet das Gehirn Text, Ton und auch noch Bild gleichzeitig und wahnsinnig schnell. Das wäre vergleichbar mit einem Lesetempo von etwa 1000 Wörtern pro Minute, wir lesen aber nur mit 200 Wörtern.
Wie funktioniert das konkret? Welche Techniken lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Ihrem Kurs?
Askeljung: Das Erstaunliche ist: Das Gehirn ist mit unserer Art zu lesen tatsächlich stark unterfordert – und Sie schweifen daher oft in Gedanken ab, so dass Sie wenig bis gar nichts vom Text mitnehmen oder Abschnitte mehrmals lesen müssen. Das trifft insbesondere zu beim wissenschaftliche Texte oder anderen komplexeren Fachartikeln. Das ändern wir in dem Seminar, indem wir mit Unterlagen und Apps die „BrainRead“-Methode üben und unsere bisherige Art zu lesen aufgeben.
Sie lesen nämlich heute noch mit Techniken, die Sie in der Grundschule gelernt haben. Das ist schade, weil es einige schlechte Lesegewohnheiten gibt, die Sie davon abhalten, deutlich schneller zu sein. Ein Beispiel ist das „innere Mitsprechen“ des Textes, die Subvokalisation. Weil wir nicht schneller sprechen können als mit 200 Wörter pro Minute, lesen wir auch nicht schneller. Im Seminar lernen Sie zum Beispiel diese innere Stimme zu ignorieren. Ein solches Lesen entspricht den Fähigkeiten unseres Gehirns viel besser und kann sogar bei wissenschaftliche Texte angewendet werden.
Ist das Verlernen also tatsächlich die größere Herausforderung? Was kann man tun, um nach dem Kurs nicht gleich wieder in alte Gewohnheiten zurückzufallen?
Askeljung: Da müssen Sie sich wenig Sorgen machen, denn mit dem neu gelernten Verhalten ist es so wie beim Fahrradfahren: Haben Sie es einmal ohne Stützräder gelernt, verlieren Sie es nicht wieder. Sie können Ihre neu erlernte Lesetechnik aber natürlich in Eigenregie weiter ausbauen und bekommen von mir dazu auch weitere Unterlagen. Wer noch tiefer einsteigen möchte, kann das mit meinem Buch zu „BrainRead“ und den Übungen und Apps auf der Webseite BrainRead.com tun.
Sie haben in Ihrem Angebot an die MPG vorgerechnet, dass durch effizienteres Lesen locker 20 Arbeitstage im Jahr gewonnen werden können. Hand aufs Herz: Wir oft haben Sie in der freigewordenen Zeit bereits „Krieg und Frieden“ gelesen?
Askeljung: Die 20 Tage sind sogar konservativ gerechnet, da sie auf eine OECD-Studie von 1995 zurückgehen, nach der wir in der Arbeit etwa zwei Stunden pro Tag mit Lesen verbringen. Tatsächlich sind wir inzwischen bei mehr als vier Stunden! „Krieg und Frieden“ habe ich allerdings bereits in meiner Jugend gelesen – ein wunderschönes Buch über das Schicksal, die Vorhersehung und darüber, wie lächerlich die Pläne von uns Menschen sind, weil es dann doch immer anders kommt…
Ich glaube auch nicht, dass wir die eingesparte Arbeitszeit wirklich für mehr Pausen nutzen werden, schließlich werden wir ja für die gleichen Stunden bezahlt. Aber Sie und Ihr Arbeitgeber freuen sich vielleicht, dass die Arbeitslast geringer wird und Sie sich besser fühlen, weil Sie Ihre Aufgaben alle schaffen. Es geht also eher darum, die Zeit mit sinnvollen Tätigkeiten zu füllen – so wie ich zum Beispiel Ihre Interview-Fragen nicht vor mir herschieben musste und sofort beantworten konnte.
Zum Gesprächspartner:
Göran Askeljung ist in Schweden geboren, lebt heute in Österreich und lehrt als Professor und Gastlektor an Hochschulen in Graz, Wien und Tbilisi in Georgien. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet er als Führungskraft in großen Unternehmen und als Geschäftsführer seiner eigenen Beratungsfirma. Sein Wissen vermittelt er als Coach und Trainer an Kunden aus Industrieunternehmen ebenso wie aus Bundesministerien – und im Dezember 2016 in einem neuen Inhouse Seminar in der Generalverwaltung der MPG.
Jetzt kaufen: BrainRead. Effizienter lesen – mehr behalten. Lesen wie die Schweden. Linde Verlag, Wien 2013
192 Seiten, EUR 16,80